Archiv der Kategorie: Vergangenheit

Die Illusion der „göttlichen“ Ordnung

Der Mensch tendiert nach meiner Beobachtung dazu, die menschengemachte Ordnung mit der „göttlichen“ Ordnung zu verwechseln. Erstere nimmt er aus dieser Verwechslung heraus als gegeben hin und fügt sich in das, was er nach seiner festen Überzeugung sowieso nicht ändern kann.

Das ist, meiner Meinung nach, auch ein wesentlicher Grund, warum menschengemachte Katastrophen, wie Genozide und Weltkriege sich jederzeit wiederholen können. Wer die menschengemachte Ordnung nicht permanent hinterfragt, ihre Fehlentwicklungen schulterzuckend zur Kenntnis nimmt oder gar durch seine Kooperation noch unterstützt, der nimmt (wissentlich oder unwissentlich) in Kauf, dass sich totalitäre Systeme etablieren können.

Zum zivilen Ungehorsam müssen die Menschen permanent ermutigt werden, gerade auch in unseren Breiten.

Disobeye. Now.

Nachtrag am 22.9.2019:
In meinem Beitrag „Wo war „Gott“ zur Zeit der Judenvernichtung, sowie im ersten und im zweiten Weltkrieg? Wieso hat er nicht eingegriffen, wo er doch allmächtig ist? Warum lässt „Gott“ das Leid zu?“ wage ich mich an eine Theodizee aus meiner ganz persönlichen Sicht. Aus dem dort Gesagten folgt, dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen einer göttlichen und einer menschengemachten Ordnung gibt. Beide sind untrennbar verbunden, sie sind im Grunde genommen eins. Womöglich liegt die Crux darin, dass der Mensch permanent dazu neigt, sich oder vielmehr Teile von sich abzuspalten, nach außen zu verlagern und von sich getrennt anzusehen. Der Schlüssel zum Heil liegt im Hier und Jetzt. Ich darf mich an jedem neuen Tag, zu jeder neuen Stunde, in jeder neuen Sekunde entscheiden, wohin ich meine Aufmerksamkeit und Energien richte. Wenn ich mich als Werkzeug Gottes begreife, mich für die Liebe entscheide, können Wunder geschehen. Das hört sich so leicht an. Wäre es eigentlich auch, wenn ich nicht ständig wieder der Illusion verfallen würde, ich sei von Gott getrennt.

„Bleibet hier und wachet mit mir.
Wachet und betet,
wachet und betet.“

So lautet der Text eines Liedes der Communauté de Taizé. Er ist inspiriert von Mt 26,36–38, wo es heißt: „Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit, und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir! [..] Und er ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend. Da sagte er zu Petrus: Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“

Für meinen Alltag bedeutet das: Meditation als Mittel der Rückverbindung zu Gott praktisch leben. Beharrlich. Immer wieder. Auch wenn es schwer fällt in unserer hektischen Zeit.

Die Vergangenheit loswerden in zwei Stunden

Die Aktenberge auf unserem Dachboden waren Susanne schon lange ein Dorn im Auge –„Wann gehst Du endlich mal mit nach oben, damit wir dort zusammen ausmisten können?“, lag sie mir schon seit Wochen im Ohr – letzte Woche war es endlich soweit. Es handelte sich um Aktenordner aus der Zeit meiner ersten Selbständigkeit von 1996 bis 2001, insgesamt um die 25 randvolle Zeugen längst vergangener Zeiten. Ich musste sie aufheben, der Gesetzgeber verlangt eine 10jährige Aufbewahrung.

So habe ich die schweren Dinger also zunächst vom Dachboden in den Keller geschafft. Dort konnten sie aber nicht bleiben, da auch im Kellerbüro alle Schränke und Regale bereits überquellen von weitgehend sinnlosen Dingen. Also machte ich mich daran, mit einem 20-Euro-Dokumentenvernichter vom Discounter den Inhalt des ersten Ordners zu Papierwolle zu verarbeiten. Ein mühsames Geschäft. Das Gerät schluckt immer nur bis zu 5 Papierbögen gleichzeitig. Ich sah mich bereits Tage mit dieser monotonen Arbeit zubringen. Noch dazu hat das kleine Monster einen thermischen Abschaltmechanismus, was bedeutet, hat es sich heiß gebissen, legt es umgehend einen Verdauungsschlaf von einer halben Stunde ein. Und es wird ihm sehr schnell zu heiß! So konnte es nicht weitergehen.

Ich schmiss also Google an und gab als Suchbegriffe ein „Aktenvernichtung“ und „Würzburg“. Gleich der erste Treffer verwies auf eine Müllbeseitigungsfirma in Würzburg, bei der man persönlich vorbeikommen und sich von der ordnungsgemäßen Vernichtung seiner vertraulichen Dokumente überzeugen kann. Das klang gut. Ich rief also dort an und fragte nach den Konditionen. 11 Cent pro Kilo, Mindestmenge 100 Kilo. „Wow“, staunte ich, für 11 Euro bekomme ich also den ganzen Ballast auf einen Schlag weg, und kann meine Zeit wieder wichtigeren Dingen zuwenden, wie zum Beispiel diesen Beitrag hier zu schreiben … *grins*

Heute war ich also dort. Das Ganze entpuppte sich als eine Angelegenheit von 2 Stunden, inklusive An- und Abreise. Auf dem Hinweg nahm mich Susanne sogar mit dem Auto mit, da ihr Dienstort sowieso ganz in der Nähe dieser Entsorgungsfirma liegt. Die Leute dort erlebte ich als sehr nett und zuvorkommend. Der Mensch, der den Papiershredder bediente, nahm mir die schwerere der beiden Kisten ab und ließ mich höchstpersönlich dabei zuschauen, wie die paar Papierchen per Förderband in das Riesenmaul des Shredders wanderten. Ein kleiner Haps, und weg war dieser Teil meiner dokumentierten Vergangenheit. Was für eine Erleichterung! Zurück beim Empfang, dort wo man mit dem Auto auf die Waage fährt, drückte sich diese dann auch in Zahlen aus: 30 Kilogramm. Ich gebe Brief und Siegel, im Herzen wog sie schwerer. Ob ich eine Rechnung bräuchte, fragte mich die freundliche Dame. „Nein“, antwortete ich. „Dann mache ich Ihnen den Vorschlag, geben Sie uns zwei, drei Euro in die Kaffeekasse und die Sache ist erledigt.“ – „Wunderbar“, antwortete ich freudig, steckte einen unversehrten Fünf-Euro-Schein in den bereit stehenden, prall gefüllten Glaszylinder und empfahl mich.