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Revolution von unten gegen den Klimawandel

Während der Klimawandel unaufhaltsam voranschreitet, fühlen wir uns oft ohnmächtig angesichts der zögerlichen Maßnahmen von Regierungen und der Ignoranz großer Konzerne gegenüber der Dringlichkeit dieses globalen Problems. Es scheint, als wäre unser Einfluss als Einzelne begrenzt. Doch es gibt eine mächtige Waffe, deren Potenzial viele unterschätzen: unser eigenes Konsumverhalten.

Die Rolle der Großkonzerne

Die Realität ist, dass große Konzerne für uns produzieren. Sie wachsen und gedeihen aufgrund unserer Nachfrage nach immer neuen Produkten. Wenn wir unser Kaufverhalten ändern, zwingen wir diese Unternehmen, ihre Strategien zu überdenken. Dies ist der Kerngedanke hinter der Idee eines Konsumstreiks – einer Revolution von unten, die zeigt, wie wir durch bewussten Konsum die Zukunft unseres Planeten beeinflussen können.

Unser aktueller Lebensstil im Westen ist geprägt von Luxus und Verschwendung. Diese Mentalität treibt die Konzerne dazu an, immer mehr zu produzieren – oft Dinge, die wir nicht benötigen, aber dennoch kaufen. Dieser übermäßige Konsum, dieses „immer mehr” belastet nicht nur unseren Geldbeutel, sondern auch die Umwelt.

Das Potenzial des reduzierten Konsums

Indem wir unseren Konsum radikal einschränken, können wir einen signifikanten Unterschied machen. Die Idee ist einfach: Wir konsumieren nur, was wir wirklich zum Leben brauchen. Ein solches Verhalten würde nicht nur die Verschwendung von Ressourcen reduzieren, sondern auch die Macht der Konzerne, die von unserem Konsumverhalten abhängen.

Ein Konsumstreik, der sich über ein Jahr oder länger erstreckt, kann die Strategien, wie Unternehmen sich aufstellen, fundamental verändern. Dieser Streik muss nicht radikal sein, sondern kann schrittweise umgesetzt werden. Er beginnt mit der persönlichen Entscheidung, weniger und bewusster zu konsumieren.

Minimalismus als Wegbereiter

Minimalismus ist ein Lebensstil, der sich auf das Wesentliche konzentriert und überflüssigen Konsum ablehnt. Er ist selbstbestimmt und frei von Angst, basierend auf der Erkenntnis, dass wahres Glück und Zufriedenheit nicht durch materielle Güter erreicht werden. Jeder kann Minimalismus praktizieren, sofern er den Mut dazu findet.

Fazit

Unser Konsumverhalten ist ein mächtiges Werkzeug. Wenn wir es bewusst einsetzen, können wir nicht nur unsere Lebensqualität verbessern, sondern auch einen nachhaltigen Einfluss auf die Umwelt und die Wirtschaft ausüben. Der Konsumstreik ist mehr als nur eine Idee; er ist ein Aufruf zum Handeln, eine Chance, die Zukunft aktiv mitzugestalten.

Bild: Christian Schmitt via Dall-E 3

Nachtrag für Zweiflerinnen und Zweifler

Kritische Stimmen stellen die Machbarkeit bzw. die Wirkmächtigkeit eines Konsumstreiks in Frage. Es ist richtig, dass der Gedanke eines weitreichenden Konsumstreiks zunächst utopisch erscheinen mag. Dennoch gibt es wichtige Gründe, warum dieses Konzept nicht nur möglich, sondern auch wirkungsvoll sein kann.

  • Die Geschichte lehrt uns, dass bedeutende gesellschaftliche Veränderungen oft von einer kleinen, entschlossenen Gruppe von Menschen ausgingen. Denken wir an die Bürgerrechtsbewegung oder den Kampf gegen die Apartheid – beide Bewegungen begannen mit einer Minderheit und wuchsen zu mächtigen Kräften heran. 1995 führte die Entscheidung von Shell, eine ausgediente Ölplattform (Brent Spar) im Atlantik zu versenken, zu einem Boykott und massiven Protesten in Europa. Shell gab schließlich nach und entschied sich für eine umweltfreundlichere Entsorgungsmethode. Das verstärkte Bewusstsein der Verbraucher für nachhaltig und ethisch verantwortungsvoll produzierte Konsumgüter führte zur Entstehung von Unternehmen wie Fairphone, die sich auf die Herstellung von ethisch produzierten Smartphones spezialisiert haben.
  • Jeder einzelne Beitrag zu einem Konsumstreik kann einen Schneeballeffekt auslösen. Wenn Menschen sehen, dass andere aktiv werden und Veränderungen bewirken, können sie inspiriert werden, selbst Teil der Bewegung zu werden.
  • In unserer vernetzten Welt haben soziale Medien das Potenzial, Bewegungen zu beschleunigen und zu verstärken. Durch das Teilen von Erfahrungen und Erfolgen können wir einander motivieren und unterstützen.
  • Auch wenn nicht jeder sofort radikale Änderungen vornehmen kann oder möchte, so ist doch jeder kleine Schritt in Richtung eines bewussteren Konsums bedeutsam. Selbst kleine Veränderungen können sich zu einer großen Wirkung summieren, so wie viele kleine Regentropfen zusammen eine Flut ergeben können, die Bäume und Häuser umreißt.
  • Der zunehmende Trend zum Minimalismus zeigt, dass ein Bewusstsein für die Vorteile eines reduzierten Konsums bereits in vielen Köpfen existiert. Die Bereitschaft, überflüssigen Konsum zu hinterfragen und zu reduzieren, scheint also bei vielen Menschen vorhanden zu sein.
  • Vorbilder in der Gesellschaft, die einen Konsumstreik praktizieren und unterstützen, können andere inspirieren und zum Mitmachen bewegen. Ihr Einfluss sollte nicht unterschätzt werden.
  • Selbst wenn der Anfang klein ist, kann jede bewusste Kaufentscheidung eine positive Wirkung haben. Es geht darum, ein neues Bewusstsein für Konsum zu schaffen.

Anarchie und Putin

Nach Thomas Hobbes, sozusagen dem „Urvater“ der modernen Staatstheorie, befindet sich der Mensch im Naturzustand in einem Krieg „aller gegen alle“, was man gemeinhin als Anarchie bezeichnet. Erst der Staat, der „Leviathan“ (1651) könne diesen Zustand aufheben und für Frieden zwischen den Menschen sorgen. Auch für Immanuel Kant ist Frieden kein Zustand, in dem Menschen sich natürlicherweise befinden. In seinem berühmten Werk „Zum ewigen Frieden“ (1795) philosophiert er darüber, wie ein dauerhafter Frieden zwischen den Staaten möglich wäre, wenn von der Vernunft geleitete Maximen eingehalten werden.

Doch was, wenn die Auffassung der Menschen darüber, was vernünftig sei, stark auseinander geht? Was, wenn unser Verständnis von „Vernunft“ nicht die Maxime von Staatslenkern vom Schlage eines Wladimir Putin ist, sondern vielmehr das unverhohlene Streben nach Ausdehnung ihres Herrschaftsbereichs, wofür sie auch bereit sind den Wohlstand ihres Landes zu gefährden und Menschen zu opfern? Nicht wenige Politologen sind der Auffassung, dass auf zwischenstaatlicher Ebene selbst heute, trotz eines inzwischen komplexen und beinahe undurchschaubaren Geflechts internationaler Verträge und Handelsbeziehungen, ein Zustand der Anarchie anzutreffen sei.

Nach Putins Invasion in die Ukraine und damit in einen souveränen europäischen Staat, steht die sogenannte „westliche Welt“ wieder in einer Eintracht zusammen, wie man sie zuletzt aus der Zeit des kalten Kriegs kannte. Und wieder kann der Westen nicht einfach als „Polizei“ eingreifen und den Aggressor stoppen. Zuviel steht auf dem Spiel, auch angesichts der atomaren Pattsituation. Viel auf dem Spiel steht nun auch für die internationalen Großkonzerne (die Rüstungsindustrie einmal ausgenommen) und für die Internetmilliardäre dieser Welt. Sollte der Krieg in der Ukraine weiter andauern, wird der Westen nicht umhin kommen zu seinem letzten Druckmittel zu greifen: den totalen Importstopp fossiler Energieträger aus Russland. Dies wird nach Ansicht vieler Ökonomen zu einem beispiellosen Einbruch der Wirtschaftsleistung in Europa, aber auch weltweit führen, dessen Folgen heute unabsehbar sind. Fast sicher ist, dass Millionen Menschen arbeitslos würden, mit allen sozialen und mittelfristig auch politischen Konsequenzen. Auch die Ernährungssituation vieler Länder, allen voran in Nordafrika, darf schon heute als prekär bezeichnet werden, da diese in erheblichem Maße von Nahrungsmittelimporten aus der Ukraine und Russland abhängig sind. Fallen diese aus, wofür derzeit einiges spricht, dürften wir in naher Zukunft eine Flüchtlingswelle erleben, deren Dimensionen alles sprengt, was wir bisher gekannt haben.

Da für soviele mächtige Akteure nun soviel auf dem Spiel steht („Geld regiert die Welt“), habe ich mich gefragt, was würde eigentlich passieren, wenn Putin von einer Partei angegriffen würde, die de facto staatenlos ist? Auf internationaler Ebene herrscht, wie oben dargelegt, ein quasi anarchischer Zustand. Was, wenn sich in diesem staatenlosen und damit rechtsfreien Zwischenraum eine Organisation bildete, die so stark ist, dass sie Putin die Stirn bieten kann? Gegen welches Territorium könnte Putin sein Atomwaffenarsenal richten, wenn der Gegner über gar kein Territorium verfügt?

Die Illusion der „göttlichen“ Ordnung

Der Mensch tendiert nach meiner Beobachtung dazu, die menschengemachte Ordnung mit der „göttlichen“ Ordnung zu verwechseln. Erstere nimmt er aus dieser Verwechslung heraus als gegeben hin und fügt sich in das, was er nach seiner festen Überzeugung sowieso nicht ändern kann.

Das ist, meiner Meinung nach, auch ein wesentlicher Grund, warum menschengemachte Katastrophen, wie Genozide und Weltkriege sich jederzeit wiederholen können. Wer die menschengemachte Ordnung nicht permanent hinterfragt, ihre Fehlentwicklungen schulterzuckend zur Kenntnis nimmt oder gar durch seine Kooperation noch unterstützt, der nimmt (wissentlich oder unwissentlich) in Kauf, dass sich totalitäre Systeme etablieren können.

Zum zivilen Ungehorsam müssen die Menschen permanent ermutigt werden, gerade auch in unseren Breiten.

Disobeye. Now.

Nachtrag am 22.9.2019:
In meinem Beitrag „Wo war „Gott“ zur Zeit der Judenvernichtung, sowie im ersten und im zweiten Weltkrieg? Wieso hat er nicht eingegriffen, wo er doch allmächtig ist? Warum lässt „Gott“ das Leid zu?“ wage ich mich an eine Theodizee aus meiner ganz persönlichen Sicht. Aus dem dort Gesagten folgt, dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen einer göttlichen und einer menschengemachten Ordnung gibt. Beide sind untrennbar verbunden, sie sind im Grunde genommen eins. Womöglich liegt die Crux darin, dass der Mensch permanent dazu neigt, sich oder vielmehr Teile von sich abzuspalten, nach außen zu verlagern und von sich getrennt anzusehen. Der Schlüssel zum Heil liegt im Hier und Jetzt. Ich darf mich an jedem neuen Tag, zu jeder neuen Stunde, in jeder neuen Sekunde entscheiden, wohin ich meine Aufmerksamkeit und Energien richte. Wenn ich mich als Werkzeug Gottes begreife, mich für die Liebe entscheide, können Wunder geschehen. Das hört sich so leicht an. Wäre es eigentlich auch, wenn ich nicht ständig wieder der Illusion verfallen würde, ich sei von Gott getrennt.

„Bleibet hier und wachet mit mir.
Wachet und betet,
wachet und betet.“

So lautet der Text eines Liedes der Communauté de Taizé. Er ist inspiriert von Mt 26,36–38, wo es heißt: „Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit, und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir! [..] Und er ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend. Da sagte er zu Petrus: Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“

Für meinen Alltag bedeutet das: Meditation als Mittel der Rückverbindung zu Gott praktisch leben. Beharrlich. Immer wieder. Auch wenn es schwer fällt in unserer hektischen Zeit.