Wo war „Gott“ zur Zeit der Judenvernichtung, sowie im ersten und im zweiten Weltkrieg? Wieso hat er nicht eingegriffen, wo er doch allmächtig ist? Warum lässt „Gott“ das Leid zu?

Ich glaube daran, dass der Mensch grundsätzlich frei ist. Frei, sich für den Weg der Liebe zu entscheiden. Ausdruck dieser Liebe sind z.B. Selbstlosigkeit, Nächstenliebe, Barmherzigkeit. Dort ist „Gott“, wenn es einen Namen dafür braucht. Genauso ist der Mensch aber frei, sich in Hass und Zwietracht zu ergehen, in Neid und Missgunst, in Morden und Kriegen.

Ohne diese Freiheit wären wir keine Menschen, sondern Automaten. Von daher denke ich, „Gott“ ist immer da, auch wenn wir noch so großes Leid anrichten. „Gott“ ist unendlich traurig, wenn es geschieht. Aber „Gott“ greift nicht ein. Weil die Freiheit, die „Gott“ uns schenkt, Ausdruck seiner bedingungslosen Liebe ist.

Man muss das Gute tun, damit es in der Welt sei. (Marie von Ebner-Eschenbach)

Mit dieser Freiheit hat „Gott“ uns eine große Verantwortung übertragen. Ich glaube auch nicht, dass wir „ihm“ unterlassene Hilfeleistung vorwerfen können. Denn „Gott“ handelt in dieser seiner Schöpfung durch seine Geschöpfe, also durch uns. Die Verantwortung liegt also wirklich bei uns. Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob das allen Menschen immer wirklich klar ist. Denn ich glaube nicht, dass „Gott“ irgendwo außerhalb von uns zuschaut, sozusagen als von uns getrennter, unbeteiligter Beobachter. Ich glaube im Gegenteil, dass er genau in uns ist. An uns liegt es, sein Wirken zuzulassen, und zwar durch uns. Darin liegt vermutlich seine tiefste Sehnsucht.