Archiv für den Monat: Januar 2018

Die Illusion der „göttlichen“ Ordnung

Der Mensch tendiert nach meiner Beobachtung dazu, die menschengemachte Ordnung mit der „göttlichen“ Ordnung zu verwechseln. Erstere nimmt er aus dieser Verwechslung heraus als gegeben hin und fügt sich in das, was er nach seiner festen Überzeugung sowieso nicht ändern kann.

Das ist, meiner Meinung nach, auch ein wesentlicher Grund, warum menschengemachte Katastrophen, wie Genozide und Weltkriege sich jederzeit wiederholen können. Wer die menschengemachte Ordnung nicht permanent hinterfragt, ihre Fehlentwicklungen schulterzuckend zur Kenntnis nimmt oder gar durch seine Kooperation noch unterstützt, der nimmt (wissentlich oder unwissentlich) in Kauf, dass sich totalitäre Systeme etablieren können.

Zum zivilen Ungehorsam müssen die Menschen permanent ermutigt werden, gerade auch in unseren Breiten.

Disobeye. Now.

Nachtrag am 22.9.2019:
In meinem Beitrag „Wo war „Gott“ zur Zeit der Judenvernichtung, sowie im ersten und im zweiten Weltkrieg? Wieso hat er nicht eingegriffen, wo er doch allmächtig ist? Warum lässt „Gott“ das Leid zu?“ wage ich mich an eine Theodizee aus meiner ganz persönlichen Sicht. Aus dem dort Gesagten folgt, dass es eigentlich keinen Unterschied zwischen einer göttlichen und einer menschengemachten Ordnung gibt. Beide sind untrennbar verbunden, sie sind im Grunde genommen eins. Womöglich liegt die Crux darin, dass der Mensch permanent dazu neigt, sich oder vielmehr Teile von sich abzuspalten, nach außen zu verlagern und von sich getrennt anzusehen. Der Schlüssel zum Heil liegt im Hier und Jetzt. Ich darf mich an jedem neuen Tag, zu jeder neuen Stunde, in jeder neuen Sekunde entscheiden, wohin ich meine Aufmerksamkeit und Energien richte. Wenn ich mich als Werkzeug Gottes begreife, mich für die Liebe entscheide, können Wunder geschehen. Das hört sich so leicht an. Wäre es eigentlich auch, wenn ich nicht ständig wieder der Illusion verfallen würde, ich sei von Gott getrennt.

„Bleibet hier und wachet mit mir.
Wachet und betet,
wachet und betet.“

So lautet der Text eines Liedes der Communauté de Taizé. Er ist inspiriert von Mt 26,36–38, wo es heißt: „Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit, und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir! [..] Und er ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend. Da sagte er zu Petrus: Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.“

Für meinen Alltag bedeutet das: Meditation als Mittel der Rückverbindung zu Gott praktisch leben. Beharrlich. Immer wieder. Auch wenn es schwer fällt in unserer hektischen Zeit.